Der Clubhouse-Hype ist jetzt auch in Deutschland real, die Audio-App boomt seit ihrem Release. Nachfrage durch Exklusivität und Verknappung lautet das Konzept, dass große Influencer*innen die App promoten, half zusätzlich beim Start. Der Zugang zur App ist nur per persönlicher Einladung eines Nutzers oder einer Nutzerin möglich, jede*r kann nur zwei Menschen einladen. Im Moment finden sich dort vor allem Politiker*innen, Journalist*innen und Unternehmer*innen. Menschen also, die ohnehin schon Reichweite haben und sie so weiter vergrößern. Laut der App-Gründer Paul Davidson und Rohan Seth soll die App bald auch ohne Einladungslink und für Android-User zugänglich sein – das bleibt abzuwarten.
Aber was kann Clubhouse und wie nutze ich es als Journalist*in?
Aktuell ist Clubhouse eine Audio-Only-App, ganz im Sinne des anhaltenden Podcast-Trends. Ist man bei einem Podcast allerdings nur passiver Zuhörer, kann man bei Clubhouse theoretisch aktiv teilnehmen und mitdiskutieren. Da Clubhouse sich aktuell in der Beta-Phase befindet und relativ wenige Nutzer hat, findet man auch schnell Gehör – auch in Talks mit Politiker*innen wie Doro Baer und Philipp Amthor oder Bundesligaprofi Thomas Müller.
Auf der Startseite finden sich aktuelle und geplante Talkrunden, sowie die Möglichkeit, selbst einen sogenannten „Room“ zu eröffnen.
In den Talks selbst gibt es Moderator*innen. Sie sind grün gekennzeichnet. Nur sie entscheiden, wer mitreden kann und wer nicht. Sie können Menschen aus dem Publikum „auf die Bühne holen“. Wortmeldungen funktionieren per Klick auf „Hand heben“.
Außerdem kannst du mit einem Klick auf das Plus jederzeit einen deiner Kontakte in den Raum holen, oder „leise gehen“ – wie in einer analogen Konferenz.
Jetzt aber Klartext: Braucht man das?
Für Journalist*innen ist Clubhouse (zumindest in der jetzigen Form) eine unglaublich spannende Plattform. Dort sprechen etwa Politiker*innen und Sportler*innen ungewöhnlich offen über spannende Themen. Man findet schnell Kolleg*innen und Kooperationspartner*innen, aktuell stehen die Chancen, dass auch bekanntere Gesichter „zurückfolgen“ recht gut. Spannende Gesprächsrunden finden eigentlich rund um die Uhr statt und mitreden ist quasi immer möglich. Gerade als Lokaljournalist*in kann man jetzt auf Clubhouse noch absolute*r Vorreiter*in sein.
Wichtig für Journalist*innen: Die App hat Zugriff auf das ganze Adressbuch und es ist unklar, was mit diesen Daten geschieht. Bedenkt das auch im Hinblick auf evtl. Informant*innen, die ihr im Adressbuch gespeichert habt.
Es wird sich sicher noch einpendeln müssen, wie wir als Journalist*innen Clubhouse nutzen können. Nicht umsonst ist es streng verboten, Talks aufzuzeichnen – ein Verstoß zieht den Rausschmiss aus der App nach sich. Erste Beschwerden über Journalist*innen, die sich in Talkrunden daneben benehmen und Gesprächspartner unter Druck setzen, machen auch bereits die Runde. Vom Verhalten der Kolleg*innen wird sicher abhängen, wie offen die Gespräche auf Clubhouse in Zukunft bleiben.
Aus Amerika, wo Clubhouse seit dem Sommer genutzt werden kann, berichten Nutzer*innen von Neonazis und „White Supremacists“, die auf Clubhouse sehr aktiv sind. Holocaustrelativierung und rechte Verschwörungstheorien seien gang und gäbe. Es gebe ganze „Hass-Rooms“ gegen die LGBTQ+ Community, gegen Muslime, Juden, BPOC und andere marginalisierte Gruppen. Die Gründer der App verweisen diesbezüglich darauf, dass man diese Nutzer ja blocken könne. In der App gibt es außerdem die Möglichkeit einen „Zwischenfall“ zu melden – wie erfolgreich das ist, wird sich zeigen.
- Zugang zu entspannten, offenen Gesprächen mit Politiker*innen, Sportler*innen, etc.
- Marginalisierte können gehört werden
- Möglichkeit, Vorreiter*in zu sein
- Möglichkeit der kostenlosen Weiterbildung durch Expert*innen
- Gelegenheit zur Positionierung als Expert*in
- Einfache Vernetzung mit Kolleg*innen und Interviewpartner*innen
- Schnelles Wachstum/große Reichweite möglich
- „Nebenbei“ zuhören möglich
- Elitär und exklusiv (nur für iOS verfügbar, „Invitation only“
- Audio only schliesst Menschen mit Einschränkungen der Sprache/ des Gehörs aus
- Mangelhafte Kontrolle und Moderation
- Bietet denen, die von FB/Instagram/Twitter gesperrt wurden eine Plattform
- Datenschutz unklar, App hat Zugriff auf’s Adressbuch
- Keine Reaktionen des Publikums möglich
- Gefahr der Entstehung von Filterbubbles
- Noch eine App, die ans Smartphone fesselt
Alles Achtsam
Nicht zuletzt ist Clubhouse natürlich auch eine weitere App, die uns an unser Smartphone bindet. Auch hier tauchen wir in Filterbubbles ab, es kostet Anstrengung, sie von der „realen Welt“ zu differenzieren. Ob und wie Clubhouse zu nutzen ist, sollte jede*r Journalist*in ganz für sich selbst entscheiden. An welchen Talks nehmen wir teil, welche Diskussionen eröffnen wir, welchen Stimmen geben wir eine Plattform, wofür setzen wir uns ein?
Achtsamkeit ist auch hier das Stichwort. Setzt Clubhouse dich unter Druck, musst du nicht mitmachen. Fear of missing out ist ein schlechter Ratgeber.
Diejenigen, die einsteigen sollten sich auch hier als Korrektiv verstehen und die Contra-Punkte gut im Auge behalten. Exklusion und das hofieren von diskriminierenden oder gar faschistischen Stimmen dürfen nirgendwo geduldet werden – Auch nicht bei Clubhouse.