FUSSBALL

Ex-BVB-Profi Amedick über Depressionen:

„Ich kann morgen nicht Bundesliga spielen!“

Martin Amedick führte früher die Mannschaft Kaiserslauterns als Kapitän aufs Feld. Mit Borussia Dortmund stand er 2008 im DFB-Pokalfinale. Als er 2012, als Spieler bei Eintracht Frankfurt wegen eines angeblichen „Erschöpfungssyndroms“ aus dem Spielbetrieb ausschied, hatte er eine monatelange Leidenszeit hinter sich. „Depressionen“ lautete die wirkliche Diagnose. Immer noch ein Tabuthema in der leistungsfokussierten Bundesliga. Im Gesundheitspodcast „Morphium & Ingwer“ sprach der frühere Abwehrspieler über die letzten Monate seiner Bundesligakarriere.

Von Solveig Haas

„Mit dem Anpfiff hieß es Schalter umlegen und funktionieren. Und nach dem Spiel habe ich dann etwas Erleichterung gespürt. Im Nachhinein habe ich mich oft gefragt, wie ich das eigentlich geschafft habe“, erinnerte sich Amedick. „Freitags vor dem Auswärtsspiel im Hotel waren da schon die negativen Gedankenschleifen: ‚Es geht nicht, ich kann morgen nicht Bundesliga spielen.‘ Das hörte dann auch bis zum Spielbeginn nicht auf, selbst auf dem Weg zum Stadion im Bus oder beim Aufwärmen.“

„Das Beispiel Robert Enke war für mich ein Riesenproblem“

Dass seine Erkrankung so kurz nach dem Selbstmord des Nationaltorhüters Robert Enke kam, sorgte nicht für mehr Offenheit bei Amedick, um über seine Gedankenwelt zu sprechen, sondern er setzte sich noch mehr unter Druck. „Ich wollte das auf jeden Fall {vor den Mannschaftskollegen} nicht sagen, es war zu dem Zeitpunkt leider das Beispiel von Robert Enke da, das war für mich ein Riesenproblem. Was passiert, wenn rauskommt, dass du psychisch erkrankt bist. Was passiert dann mit deiner Karriere? Kannst du deine Leistung unter Medikamenten bringen, ändert sich deine Persönlichkeit oder bestimmte Verhaltensweisen? Das hat noch mal einen Riesendruck auf die Symptome gelegt.“ Amedick war von Enkes Tod tief betroffen, doch es war keine Initialzündung, sich selbst zu öffnen.

18 Monate lang mit Krankheitssymptomen gespielt

Amedick versuchte, sich durchzukämpfen. In seiner Zeit beim 1. FC Kaiserslautern – er wechselte 2008 von Borussia Dortmund zu den Pfälzern – habe er aber bereits Symptome gespürt. „Fehlender Antrieb, Verlust von Freude an Sachen, die einem sonst Spaß machen, überhaupt morgens aus dem Bett zu kommen, war schon eine Riesen-Aufgabe. Angst vor dem Tag, wie soll ich das alles schaffen, das waren dann so Gedankenketten“, gab Amedick nun Einblicke in seine Gedankenwelt. Es dauerte, bis er externe, professionelle Hilfe in Anspruch nahm. 18 Monate lang spielte er noch mit Symptomen Fußball, erst bei Eintracht Frankfurt habe er 2012 festgestellt „So geht es nicht weiter, ich muss gesunden und gehe aus dem Trainings- und Spielbetrieb erst mal raus.“ Amedick machte eine Psychotherapie, nahm Medikamente gegen die Depression.

Amedick arbeitet gegen das Stigma „Depression“

Inzwischen hält Amedick für die Robert Enke-Stiftung Vorträge vor Nachwuchsspielern, studiert Psychologie und möchte dann als Sportpsychologe in Nachwuchsleistungszentren arbeiten. Durch seine Biografie hoffe er, den Spielern authentisch und erfolgreich helfen zu können, mit dem mentalen Druck der Karriere umzugehen. „Wir müssen die Erkrankungen besser erklären und die Stigmatisierung bekämpfen“, so der 38-Jährige. Mehr Spezialisten, auch in den Vereinen, sind laut Amedick der erste wichtige Schritt dazu.