Was können wir als Journalist*innen also tun?
Das ist eine sehr gute Frage, denn ich lerne auch noch. Der erste und wichtigste Schritt: Hören wir doch erst mal damit auf, dauernd Dinge sagen zu wollen, und hören stattdessen zu! Dass marginalisierte Menschen oft so laut und „aggressiv“ wahrgenommen werden, liegt daran, dass ihnen sehr lange nicht zugehört wurde, sie unterdrückt und diskriminiert wurden. Während wir so langsam realisieren, dass diese Problematiken existieren, befinden sie sich bereits auf einer viel höheren Eskalationsstufe. Und das ist okay! Aber WIR sind in der Pflicht, sie nicht weiter zu unterdrücken, sondern dafür zu sorgen, dass sie nicht mehr so laut sein müssen, um gehört zu werden.
Die Debatte auf die Ebene des „Tones“ verschieben zu wollen, also Sätze zu sagen, wie „Beruhig‘ dich erst mal, wenn du so aggressiv bist, rede ich nicht mit dir!“ ist übrigens eine verbreitete Unterdrückungstechnik. Mehr zu „Tone Policing“ liest du hier von Dara Katz.
Erkenne internalisierte -ismen an
„Aber ich meine das doch nicht böse! Woher soll ich das denn wissen?“ höre ich auch oft (und hey, habe ich auch selbst schon gesagt). Und JA, das ist wahr und Teil des Problems! So viele von uns sind entsprechend aufgewachsen. Unsere Gesellschaft kämpft hart mit ihrer Sozialisierung in grundlegend patriarchalen, sexistischen, rassistischen und queerfeindlichen Systemen. Das ist oft ganz subtil, aber dauernd präsent. Und wir können meistens wirklich nichts dafür – aber wir sind in der Pflicht, das zu ändern! Dabei geht es nicht darum, marginalisierten Personen eine Sonderbehandlung zukommen zu lassen, im Gegenteil. Ziel muss sein, dass Hautfarbe, Herkunft, Geschlecht, sexuelle Orientierung etc. wirklich völlig egal sind. Aber davon sind wir leider noch weit entfernt.
Respektiere die Individualität der Menschen
Eines der Totschlagargumente in dieser Diskussion ist: „Aber ich kenne eine BIPOC (Black/Indigenous/Person of Colour), eine queere Person oder eine Frau, der das gar nichts ausmacht!“
Cool. Angenommen, das stimmt, dann ist das, wenn es um diese Person geht, natürlich in Ordnung. Aber jetzt lernst du eben eine oder mehrere Personen kennen, den es etwas ausmacht. Die sich verletzt fühlen von dem, was du sagst. Und das ist in der Situation schlicht zu akzeptieren. Marginalisierte Menschen sind nicht eine große, anonyme Masse, für die man pauschal Entscheidungen treffen kann. Und ganz grundsätzlich sollten wir uns wann immer möglich dagegen entscheiden, Menschen zu verletzen.
Bilde dich selbst weiter
Marginalisierte Menschen haben keinen eingebauten Lehrauftrag. Auf ihre Kritik mit „Erklär mir das!“ oder „Zeig‘ mir die Quelle dazu!“ zu antworten, darf keine selbstverständliche Anspruchshaltung sein. Es gibt viele Social Media Accounts, die sich dieser Aufgabe annehmen (einige davon findest du oben im Infokasten), Personen, die Bücher zu ihren Themen geschrieben haben, Podcasts und Dokumentationen auf den gängigen Streamingplattformen und im TV. Egal welche Frage du hast, die Antwort ist meistens nur eine Googlesuche entfernt.
Nur weil es erlaubt ist, ist es nicht unbedingt notwendig
Die Meinungsfreiheit ist eine wichtige Säule der Demokratie. Aber sie endet dort, wo sie andere Menschen verletzt. Dazu gibt es zahllose Straftatbestände und Gerichtsentscheidungen. Aber unser Zusammenleben stützt sich nicht nur auf Gesetze, sondern auch auf gesellschaftliche Normen des Zusammenlebens. Innerhalb derer sollte es normal sein, Menschen nicht zu diskriminieren, das eigene Verhalten zu hinterfragen und wenn nötig anzupassen. Es ist nicht so schwer, den eigenen Wortschatz von diskriminierenden Begriffen freizumachen.